Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2024
Lebohang Kganye mit dem Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2024 ausgezeichnet
Lebohang Kganye wurde am Donnerstag, den 16. Mai 2024 in der Photographers’ Gallery, London als Gewinnerin des Deutsche Börse Photography Prize 2024 bekanntgegeben. Der renommierte Preis ist mit 30.000 britischen Pfund dotiert. Die Künstlerin wurde für ihre Ausstellung „Haufi nyana? I’ve come to take you home” am Foam, Amsterdam, Niederlande (17. Februar bis 21. Mai 2023) ausgezeichnet.
Die bedeutende Auszeichnung, die wir jährlich gemeinsam mit der Photographers‘ Gallery vergeben, zeichnet Künstler*innen und ihre Projekte aus, die in den vergangenen 12 Monaten einen bedeutenden Beitrag zur internationalen zeitgenössischen Fotografie geleistet haben.

Die Finalist*innen des Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2024
Die vier Finalist*innen des Deutsche Börse Photography Foundation Prize 2024 sind VALIE EXPORT, Gauri Gill & Rajesh Vangad, Lebohang Kganye und Hrair Sarkissian.
Die für Prize ausgewählten Projekte setzen sich kritisch mit drängenden Anliegen auseinander – von den Hinterlassenschaften von Krieg und Konflikt, über Erfahrungen von Diaspora-Gemeinschaften und Dekolonisierung bis hin zu Themen wie umkämpfter Heimat, Tradition und Erbe, Gleichheit und Gender. Mit ihren unterschiedlichen Projekten veranschaulichen die Künstler*innen die einzigartige Fähigkeit der Fotografie, Unsichtbares, Vergessenes oder Marginalisiertes ans Licht zu bringen und Wege der Wiedergutmachung zu entwerfen.
Die Ausstellung der ausgewählten Projekte ist vom 23. Februar bis zum 2. Juni 2024 in der Photographers’ Gallery, London zu sehen. Vom 13. Juni bis zum 22. September 2024 wird sie in der Deutsche Börse Photography Foundation in Frankfurt/Eschborn präsentiert.
Jury
Die diesjährige Jury setzt sich zusammen aus: Rahaab Allana, Kurator und Herausgeber, Alkazi Foundation for the Arts, New Delhi, Indien; Quentin Bajac, Direktor der Galerie Nationale du Jeu de Paume, Paris, Frankreich; Anne-Marie Beckmann, Direktorin der Deutsche Börse Photography Foundation, Frankfurt/Main, Deutschland; Laura El-Tantawy, Dokumentarfotografin; und Shoair Mavlian, Direktorin der Photographers’ Gallery, London, als stimmberechtigte Vorsitzende.
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VALIE EXPORT
VALIE EXPORT – für ihre Ausstellung „VALIE EXPORT – The Photographs“ am Fotomuseum Winterthur, Schweiz (25. Februar bis 29. Mai 2023), in Kooperation mit der Albertina, Wien.
VALIE EXPORT (*1940, Österreich) wurde in den späten 1960er Jahren für ihre radikalen Performances und ihre kritische Befragung der Rolle der Frau in der Gesellschaft und der Kunst bekannt. Mit ihrer unerschrockenen künstlerischen Praxis weist sie auf festgefahrene patriarchale Strukturen in der Bildkultur der Massenmedien hin und deckt so die Rolle auf, die die Darstellung in der Konstruktion von Geschlecht, Sexualität und gesellschaftlichen Normen spielt.
In Fotografien, filmischen Arbeiten und Installationen bearbeitet VALIE EXPORT Schlüsselthemen wie das Verhältnis von Körper und Blick, Performance und Bild, Subjekt und Umgebung. Die Fotografie – von der Dokumentation über multimediale Installationen und Einzelarbeiten – spielt eine zentrale Rolle in ihrem Werk. Um den fotografischen Blick und seine impliziten Machtstrukturen zu dekonstruieren, inszenierte VALIE EXPORT immer wieder auch Performances für die Kamera.
Seit über 50 Jahren hat VALIE EXPORT Generationen von Künstlerinnen geprägt. In bahnbrechenden Arbeiten wie „Aktionshose: Genitalpanik“ (1969), „TAPP und TASTKINO 2“ (1968) und „Hyperbulie“ (1973) verrenkt, schneidet und deformiert sie ihren Körper, um die tiefgreifende soziale Unterdrückung von Frauen sichtbar zu machen – ein Thema, das bis heute von Bedeutung ist.

Gauri Gill und Rajesh Vangad
Gauri Gill und Rajesh Vangad – für ihre Publikation „Fields of Sight“ (2023), erschienen im Verlag Edition Patrick Frey.
Durch das Verschmelzen von Fotografie und Warli-Malerei erfinden die Fotografin Gauri Gill (*1970, Indien) und der Maler Rajesh Vangad (*1975, Indien) gemeinsam die Praxis der bemalten Fotografie neu, indem sie historische und generationenübergreifende Malpraktiken in das fotografische Objekt einfügen. Ihr vielschichtiger Bild-Dialog beschäftigt sich mit der Politik der Ästhetik, mit Umweltzerstörung, Erinnerung und Dekolonisierung.
Das Projekt nahm 2013 in Ganjad, Dahanu, einem Adivasi-Dorf, seinen Anfang. Vangad, der in dieser Gegend aufgewachsen ist, diente Gill als kundiger Führer. Gills Fotografien fingen die sich ständig verändernden Eigenschaften der Landschaften ein, vermochten jedoch deren verborgene, aber dennoch wesentliche Aspekte, die über das Sichtbare hinausgehen, nicht zu enthüllen. Vangad schloss diese Lücke, indem er Gills Bilder mit kunstvollen Zeichnungen ausgestaltete. Seine anschaulichen Geschichten schildern die vielfältigen Realitäten des Warli-Lebens in der Region und erzählen von den Hochwassern und Dürren, dem Familien- und Dorfleben über Unruhen und Terror, Geister und Mythen, Licht und Schatten. Das Ergebnis ist eine neue Art der visuellen Aufzeichnung, die multiple Wahrheiten und Wissenssysteme zusammenfasst.
In dieser enzyklopädischen Publikation hinterfragen die Künstlerin und der Künstler vorherrschende Sichtweisen. Sie untersuchen, wie Betrachter*innen einem Ort eine Bedeutung zuschreiben und inwiefern bereits der Akt des Sehens eine Mittäterschaft generiert. Durch ihre kreative und experimentelle Partnerschaft ermuntern sie das Publikum dazu, die schwer fassbaren Schichten zu ergründen, die verborgen unter der Oberfläche existieren.

Lebohang Kganye
Lebohang Kganye – für ihre Ausstellung „Haufi nyana? I’ve come to take you home” am Foam, Amsterdam, Niederlande (17. Februar bis 21. Mai 2023).
Die fotografischen Arbeiten von Lebohang Kganye (*1990, Südafrika) kombinieren persönliche und kollektive Geschichten miteinander. Um die vielschichtige Geschichte Südafrikas vor, während und nach Apartheid und Kolonialismus zu erforschen, greift sie auf mündlich weitergegebene Überlieferungen und literarische Texte zurück.
In ihren riesigen, experimentellen Installationen erschafft Kganye einen zwischen Erinnerung und Fantasie angesiedelten Raum. In diesem versammelt sie Geschichten aus ihrer eigenen Familie sowie Auszüge aus der südafrikanischen Literatur und schreibt sie zu Theaterdrehbüchern um. Silhouetten, Scherenschnitte, Marionetten, Schatten und Geister, die sie aus Materialfunden aus dem Fotoalbum sowie eigenen Kompositionen formt, (re-)inszenieren diese Storyboards und hauchen ihnen Leben ein. Die Ausstellung umfasst vier Arbeiten, die sich unterschiedlichste Medien zunutze machen – von fotografischen Montagen in „Ke Lefa Laka: Her-Story“ („It’s my inheritance: Her-Story“, 2013) bis zur Rauminstallation in „Mohlokomediwa Tora“ („Lighthouse Keeper“, 2018), von der Filmanimation in „Shadows of Re-Memory“ (2021) bis hin zum Patchwork in „Mosebetsi wa Dirithi“ („The Work of Shadows“, 2022).
Der in Sesotho, einer der offiziellen Sprachen Südafrikas, wiedergegebene Titel der Ausstellung „Haufi nyana?“ – was soviel bedeutet wie „zu nah/zu eng?“ – spiegelt den Dialog zwischen Betrachter*in und Künstlerin wider. Es geht um Vorstellungen von Heimat, Erbe und Identität, aber auch um physische und mentale Räume. Ihre geschickte Verschmelzung von Bildern und Worten erlaubt es Lebohang Kganye, die Vielschichtigkeit südafrikanischer Erfahrung zu durchdringen und dabei neue Verständniswege freizulegen, die zum Prozess der Dekolonisierung beitragen.

Hrair Sarkissian
Hrair Sarkissian – für die Ausstellung „The Other Side of Silence“ am Bonnefantenmuseum in Maastricht, Niederlande (29. November 2022 bis 14. Mai 2023).
Die konzeptuelle Fotografie von Hrair Sarkissian (*1973, Syrien) widmet sich zutiefst persönlichen Geschichten, die zugleich die Komplexität größerer historischer und gesellschaftlicher Themen reflektieren. In „The Other Side of Silence“ werden vordergründig heitere Landschaften und ruhige städtische Umgebungen zu Schauplätzen für die Darstellung von Traumata und den ihnen zugrundeliegenden soziopolitischen Realitäten. Das Werk von Hrair Sarkissian, der als Enkel von vor dem Völkermord geflüchteten Armenier*innen in Syrien geboren und aufgewachsen ist, kann als Auslotung der verborgenen emotionalen Zwischentöne verstanden werden, die die Lebenswirklichkeiten verschiedener Diaspora-Gemeinschaften durchdringen.
Seine künstlerische Praxis, die sich durch seine schlichten großformatigen Fotografien, Werke aus Bewegtbildern, Skulpturen, Soundarbeiten und Installationen auszeichnet, oszilliert zwischen der Erzeugung meditativer Traum- und beklemmender Todeslandschaften. In diesen Zwischenräumen wird der ursprünglich ausgeschlossenen, zum Schweigen gebrachten Stimme für einen Moment Raum gegeben. Im Rückgriff sowohl auf persönliche Erinnerungen und Beziehungen als auch auf umfangreiche Recherchearbeit, versucht Sarkissian, emotionale Erlebnisse beim Publikum heraufzubeschwören und das Bewusstsein und einen Sinn für Solidarität zu stärken.
Dieser Überblick über zwei Jahrzehnte seines Schaffens führt uns durch die öffentlichen Plätze von Aleppo, Latakia und Damaskus, die Himmel von Palmyra im modernen Syrien und die postindustriellen Landschaften Armeniens. Auch wenn er sich analoger fotografischer Verfahren bedient, spielen Hrair Sarkissians Bilder mit den ureigenen Möglichkeiten der Fotografie als Massenmedium. Sie bieten die Gelegenheit, darüber nachzudenken, was die offizielle Geschichte verdeckt, wie auch das Potenzial, diese Geschichte neu zu schreiben.
Installationsansichten
The Cube Eschborn, 2024 © Robert Schittko





