Alfred Seiland
Brüche zwischen den Ebenen
Im amerikanischen Roadmovie reisen die Protagonist*innen üblicherweise von Ost nach West – oder umgekehrt. Und auch die Fotografie ist von der Reise quer durch „God’s own country“ inspiriert, man denke etwa an Stephen Shore oder Robert Frank. Der Österreicher Alfred Seiland aber reiste immer wieder einige Monate lang von Nord nach Süd, von Süd nach Nord, entlang der Atlantik- und der Pazifikküste. Und machte ganze 110 Fotos in acht Jahren. Gerade einmal 48 hat er schließlich für sein Buch East Coast – West Coast ausgewählt. Akribisch sucht er stets den perfekten Ort, kehrt oft mehrfach dorthin zurück, um eine ungewöhnliche Situation einzufangen – ohne je etwas zu arrangieren.
Auch technisch beschränkt sich Seiland ganz bewusst: 4-mal-5-Zoll-Film, die immer gleiche Großbildkamera, keine Filter, lange Belichtungszeiten, Stativ, meist das gleiche Objektiv. Er sucht den realistischen Blickwinkel: „Ich sehe beim Blick durch die Kamera annähernd dasselbe wie ohne sie.“ In festem Seitenverhältnis vergrößert er dann die Aufnahmen und korrigiert manchmal stundenlang, um Objektfarbe und Lichttemperatur genau wiederzugeben und kleinste Fehler auszumerzen. Diese Methode führt zum Ergebnis. Was aber macht seine Bilder so einzigartig? Sind es die typischen Gebäude und Landschaften? Oder die Menschen, die überall Spuren hinterlassen, ohne je im Mittelpunkt zu stehen? Wahrscheinlich sind es die Farben, sind es Licht und Schatten, Linien und Flächen. Sicher aber sind es die Brüche zwischen den verschiedenen Bildebenen.
Diese Brüche relativieren Größe, etwa wenn der gelbe Straßenkreuzer im Vordergrund das weiße Holzhaus mit rotem Dach auf der anderen Straßenseite zur Spielzeughütte schrumpfen lässt. Und sie bieten unerwartete Einsichten, zum Beispiel wenn der fleckige verspiegelte Sonnenschutz im Schaufenster nur das Licht, der schmale Fensterstreifen darunter aber den Strand und das Meer reflektiert. Alfred Seiland agiert wider die Oberflächlichkeit – im Osten, im Westen und wo immer sie droht, die Oberhand zu gewinnen.
Biografische Daten
1952
geboren in St. Michael, Österreich
späte 1960er
autodidaktischer Zugang zur Fotografie
seit 1997
Professor für Fotografie im Studiengang Kommunikationsdesign in der Fachgruppe Design an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
lebt in Österreich