Andreas Gursky

Andreas Gursky, Börse Hongkong II, 1995, 205 x 310 cm, c-print
Andreas Gursky, Chicago Board of Trade, 1999, 205 x 335 cm, c-print
Andreas Gursky, Symex Singapore, 1996, 205 x 315 cm, c-print
Andreas Gursky, New York Mercantile Exchange, 1999, 205 x 240 cm, c-print

Schöne neue Welt

Warenfetischismus, Industriearchitektur, Technokult, Börsenhandel: Andreas Gurskys Fotografien erzählen eine Geschichte. „Signaturen der Moderne“ könnte ihr Titel lauten. Die einzelnen Kapitel handeln von Trends, vom Zeitgeist, vom Fortschritt, von der Zivilisation. Auch wenn er die Kamera auf die Natur richtet, sieht Gursky keine sich selbst genügenden Objekte. Die Gebirgslandschaft wird zum Freizeitpark wanderbegeisterter Massen, der begradigte Rhein gerät zur Abstraktion eines Stromes, den unbehausten Menschen überwölbt keine Hütte, sondern eine Autobahnbrücke. Gursky behandelt das Thema nicht dramatisch, eher beschreibend. Nicht als Ereignis, sondern als Konstante: sich wiederholend, jeden Tag das gleiche Ritual, Aggregatzustände des Lebens an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert.

Das menschliche Auge sieht interessengeleitet, es fokussiert Details. Die Plattenkamera, mit der Gursky seine großformatigen Fotografien herstellt, erfasst eine ganze Fläche, gleichwertig und tiefenscharf bis in die entferntesten Winkel. „Die Fotografie ist gnadenlos unromatisch“, sagt Gursky, der Bildideen manchmal jahrelang mit sich herumträgt. Aber heißt das auch, dass sie entzaubern muss, bloßlegen, dekuvrieren? Nicht im Geringsten. Gurskys Arbeiten sind von seltener Suggestivkraft. Wer seine Bilder betrachtet, der begegnet dem Faszinosum visueller Schönheit im Medium der Fotografie.

Mit dem Thema Börse hat sich Gursky im Jahr 1990 erstmals beschäftigt. Also lange bevor die Deutsche Börse über den Aufbau einer Fotokunst-Sammlung nachdachte. Auch lange bevor breite Anleger*innenschichten in Deutschland die Aktie entdeckten und einen Börsenboom auslösten. Doch weder in Börsensälen noch in Technoclubs oder in Fabrikhallen fühlt sich Gursky wirklich zu Hause. Trotzdem ist es kein Zufall, dass diese Motive in seinen Werken auftauchen. Was den Fotografen interessiert, ist die zeittypische Qualität dieser Orte. Und die Menschen, die sich dort versammeln. Ob in komplexem Durcheinander, wie auf dem Chicagoer Parkett, oder in strenger Sitzgeometrie gruppiert, wie im Handelssaal von Hongkong. So unterschiedlich die Szenen sein mögen, Gurskys Fotografien tauchen sie in ein Licht von heiterer Gelassenheit und distanziertem Wohlgefallen. Überall ist es anders, und doch immer gleich: Masse und Individuum, Rausch und Einsamkeit.

Biografische Daten

1955

geboren in Leipzig

1978-81

studiert an der Folkwang-Schule, Essen

1981-87

studiert an der Staatliche Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher

lebt in Düsseldorf