Anton Kusters

Anton Kusters, Fuhlsbüttel | 0000010 | 53.622589, 10.018927 | EX, aus der Serie "The Blue Skies Project", September 2017, 11 x 9 cm, Polaroid
Anton Kusters, Königssee | 0000140 (est.) | 47.585725, 12.987922 | EX, aus der Serie "The Blue Skies Project", April 2014, 11 x 9 cm, Polaroid
Anton Kusters, Traunstein | 0000020 (est.) | 47.8731#02, 12.633066 | AP, aus der Serie "The Blue Skies Project", April 2014, 11 x 9 cm, Polaroid
Anton Kusters, Dresden-Friedrichstadt (RAW) & Dresden (Reichsbahn) | 0000500 (est.) | 51.052671, 13.69862 | EX, aus der Serie "The Blue Skies Project", August 2016, 11 x 9 cm, Polaroid
Anton Kusters, Bausnitz | 0000067 (est.) | 50.546895, 15.979154 | AP, aus der Serie "The Blue Skies Project", Juni 2017, 11 x 9 cm, Polaroid
Anton Kusters, Niederbronn | unknown | 48.952565, 7.63403 | AP, aus der Serie "The Blue Skies Project", Juni 2017, 11 x 9 cm, Polaroid
Anton Kusters, Goslar | 0000016 | 51.955544, 10.436129 | EX, aus der Serie "The Blue Skies Project", August 2015, 11 x 9 cm, Polaroid
Anton Kusters, Eberswalde | 0000821 | 52.841518, 13.76692 | EX, aus der Serie "The Blue Skies Project", Mai 2015, 11 x 9 cm, Polaroid
Anton Kusters, Goldfields (“Goldfeld") | 0001543 (est.) | 59.380362, 27.284017 | EX, aus der Serie "The Blue Skies Project", August 2017, 11 x 9 cm, Polaroid

Blue Skies

Fotografien prägen unser Gedächtnis. Sie halten Ereignisse von privater wie von historischer Bedeutung fest und helfen uns zu erinnern. Aber wie kann Fotografie als Erinnerungsträger funktionieren, wenn man für das, woran erinnert werden soll, keine Bilder findet, die dem Geschehenen gerecht werden? Diese Frage ging dem belgischen Fotografen Anton Kusters durch den Kopf, als er 2012 zum ersten Mal das Konzentrationslager Auschwitz besuchte. Erst kurz zuvor hatte er erfahren, dass sein Großvater im Zweiten Weltkrieg der Deportation durch die deutsche Besatzungsmacht nur knapp entkommen war. Fragen wie die, wo man ihn hingebracht hätte und was ihm dann widerfahren wäre, trieben Kusters daraufhin um und führten ihn schließlich nach Auschwitz. Den Ort zu besuchen, an dem mehr als eine Millionen Menschen ermordet worden waren, überwältigte ihn so sehr, dass er über eine Stunde brauchte, bis er das Lager betreten konnte. Kusters führte seine Kamera die ganze Zeit mit sich, doch am Ende des Tages hatte er nur ein Foto aufgenommen – den strahlend blauen Himmel. Es war das einzige Bild, das sich für ihn richtig anfühlte. Der blaue Himmel sollte fortan auch das zentrale Motiv seines umfassenden Rechercheprojekts „The Blue Skies Project“ werden.

Über fünf Jahre recherchierte Kusters und bereiste ganz Europa, um an 1.078 Orten mit seiner Polaroidkamera den blauen Himmel zu fotografieren. 1.078, das ist die unvorstellbar hohe Zahl der Konzentrationslager, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten betrieben wurden und in denen Jüd*innen , aber auch Sinti und Roma, Homosexuelle und politisch Oppositionelle interniert, zur Arbeit gezwungen und ermordet wurden. In den großen Lagern wie Auschwitz oder Dachau erinnern Gedenkstätten an die Gräueltaten der Nationalsozialisten und vor allem an deren Opfer, doch an den meisten anderen Orten – insbesondere dort, wo die kleineren Konzentrationslager waren – finden sich heute kaum noch Spuren der einstigen Verbrechen. Den genauen Standort der vielen unbekannteren Lager ausfindig zu machen kostete Kusters viel Zeit und Mühe, doch ihm war klar, dass das Projekt nur in der Vollständigkeit der Dokumentation bestehen kann. Sein Vorgehen für jedes Motiv war stets das Gleiche: Vor Ort wartete er auf einen blauen Himmel, richtete seine Polaroidkamera nach oben und nahm drei Fotos auf. Im Anschluss stanzte er in den unteren linken Rand des Polaroids die GPS-Koordinaten des Konzentrationslagers und die Zahl der Todesopfer ein. Um der Ermordeten zu gedenken, ergänzte Kusters die Präsentation aller 1.078 Polaroids durch eine Sound-Installation des niederländischen Komponisten Ruben Samama.

„The Blue Skies Project“ ist eine Arbeit über das Erinnern und Gedenken, in der der Himmel ein bedeutungsvolles Symbol darstellt. Er versinnbildlicht das Gefühl der Unendlichkeit und Abstraktion, das Anton Kusters bei dem Versuch, das Unbeschreibliche zu erfassen, begleitete. An allen 1.078 Orten der ehemaligen Konzentrationslager war und ist der Himmel gegenwärtig. Sein Anblick gehörte vermutlich für alle Internierten zu den wenigen Dingen, die ihnen nicht verwehrt wurden und den sie mit Hoffnung und Sehnsucht nach Freiheit verbanden. 

Biografische Daten

1974

geboren in Hasselt, Belgien

1996

schließt Masterstudium der Politikwissenschaften an der Universität Leuven ab

2020

ist Finalist des Deutsche Börse Photography Foundation Prize