Bernd und Hilla Becher
Funktionale Bauten
Seit Ende der 50er Jahre bereisen Bernd und Hilla Becher Europa und Nordamerika. Sie fotografieren Bergwerke, Fördertürme, Gasbehälter, Hochöfen, Kraftwerke, Kühltürme, Getreidesilos, Lagerhäuser. Ihrem Projekt einer annähernd enzyklopädischen Bestandsaufnahme anonymer Zweckbauten aus der Zeit der Industrialisierung sind sie bis heute treu geblieben. Dabei bedienen sie sich einer betont sachlich-nüchternen Bildsprache, die ihren angemessenen Ausdruck in der Schwarzweiß-Technik findet; sie lässt die Strukturen der Stahlkonstruktionen besonders plastisch hervortreten. Im seriellen Kontext fügen sich die Einzelbilder, die Grundformen und Abweichungen, Ähnlichkeiten und Differenzen erkennen lassen, zu Typologien zusammen.
Gelegentlich wurden die Bildserien in die Nähe von Minimal Art und Konzept-Kunst gestellt; die Bechers selbst verstehen ihre Arbeiten vor allem als Fortsetzung der Neuen Sachlichkeit. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten viele Künstler*innen – Maler*innen, Schriftsteller*innen, Regisseur*innen – in der Darstellung der sozialen und ökonomischen Wirklichkeit ihr eigentliches Thema. Auch Fotograf*innen widmeten sich in den 20er und 30er Jahren zunehmend dem Arbeits- und Alltagsleben des Menschen. Die Themen und die ästhetischen Ausdrucksformen, die in der Zeit von 1933 bis 1945 unterdrückt wurden, nehmen die Bechers in ihren Industrie- und Gewerbebildern wieder auf.
Viele Industrieanlagen, die von ihnen fotografiert wurden, gibt es heute nicht mehr. Sie waren schon von Stilllegung und Abriss bedroht, als die Bechers mit ihrer Arbeit begannen. Allein aus historisch-dokumentarischen Gründen kommt ihren Bildern eine große kulturgeschichtliche Bedeutung zu. Noch wichtiger aber ist vielleicht der Aspekt, dass es Bernd und Hilla Becher gelungen ist, scheinbar banalen Ingenieurbauten einen Wert zu verleihen, der bislang nur der Architektur, ja sogar nur der Skulptur zuerkannt wurde: In der Aufhebung alltäglicher Sehgewohnheiten gewinnen die funktionalen Objekte eine Qualität, die im Alltag gewöhnlich übersehen wird.
Biografische Daten
Bernd Becher
1931
geboren in Siegen
1953-56
studiert an der Staatlichen Kunstakademie Stuttgart
1957
erste Fotografien von Industrieanlagen
1957-61
studiert Typografie an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf
2007
stirbt in Rostock
Hilla Becher
1934
geboren als Hilla Wobeser in Potsdam
1951-54
Lehre als Fotografin
1958-61
studiert an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf und gründet den Fachbereich Fotografie
1972/73
Ehrenprofessur an der Hochschule für Bildende Künste, Hamburg
2015
stirbt in Düsseldorf
gemeinsam
1959
Beginn der Zusammenarbeit
1990
ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen auf der 44. Biennale Venedig
2003
erhalten den Infinity Award des International Center of Photography, New York
2004
erhalten den Hasselblad Foundation International Award in Photography