Christine Spengler
Auf der Seite der Unterdrückten
Die Kriegsfotografie ist ein hartes Geschäft. Nahezu täglich sind die vielen Frauen und Männer, die in Konfliktgebieten arbeiten, dem Anblick von Gewalt, Tod und Schmerz ausgesetzt. Dieses Leid zu erleben und mit der Kamera festzuhalten ist keine leichte Aufgabe und stellt die Fotograf*innen vor viele Fragen und Herausforderungen: Wie gelingt es, die meist sehr komplexen Zusammenhänge der Auseinandersetzungen so in Bilder zu fassen, dass sie für die Rezipient*innen – in der Regel die Konsument*innen von Medien – lesbar und verständlich sind? Wo lässt sich in der expliziten Darstellung von Gewalt die Grenze ziehen zwischen der Wahrung von Authentizität und der Bedienung von Voyeurismus? Und schließlich: Wie können die Menschen hinter der Kamera selbst die erlebten Geschehnisse verarbeiten?
Die französische Fotografin Christine Spengler hat mehr als 30 Jahre in Kriegs- und Krisengebieten gearbeitet. Spengler, die 1945 im Elsass geboren wurde und in Madrid aufwuchs, kam eher durch Zufall zu diesem Metier. Als sie 1970 mit Mitte Zwanzig mit ihrem jüngeren Bruder den Tschad bereiste und dort in einen bewaffneten Konflikt geriet, begann sie, mit seiner Kamera zu fotografieren. Obwohl beide daraufhin für Wochen als vermeintliche Spione inhaftiert wurden, war es dieses Ereignis, das zu Christine Spenglers Entschluss führte, die Kriegsfotografie zu ihrem Beruf zu machen. Ihr Weg führte sie zunächst nach Nordirland, wo sie 1972 den blutigen Bürgerkrieg dokumentierte. Es folgten zahlreiche Einsätze in anderen Ländern und Regionen, unter anderem in Vietnam, Kambodscha, dem Iran, der Westsahara, dem Kosovo, Afghanistan und dem Irak. Spengler lieferte ihre Bilder an die großen Bildagenturen wie AP, Sigma und Sipa, sie erschienen auf den Titelseiten renommierter Zeitungen und Magazine wie Life, Paris Match, Time und Newsweek.
Ihrer Entscheidung folgend, ihre Arbeit denen zu widmen, die unschuldige Opfer des Krieges sind, fotografierte sie vor allem Frauen und Kinder. Ihre Bilder zeigen mit großer Empathie, wie diese versuchen, in den Wirren der Konflikte ihren Alltag zu bewältigen, zu überleben und die unsägliche Gewalt um sie herum zu ertragen. Spengler zeigt dabei auch die Unerschrockenheit der Frauen, die eine aktive Rolle im Krieg spielen, sei es als Fotografin, wie sie selbst, oder aber als Kämpferinnen. Ihr besonderes Mitgefühl galt stets den vielen Kindern, die mit der selbstverständlichen Präsenz von Waffen aufwachsen mussten und in manchen Konflikten, wie in Nordirland, gar zu Mittätern gemacht wurden. Die Energie, mit der es vielen von ihnen dennoch gelang, dem Chaos zu trotzen, weiterzuleben und Spaß zu haben, empfand Spengler auch als Zeichen der Hoffnung.
Das gesehene und fotografierte Elend hat auch bei Christine Spengler Spuren hinterlassen. Mit Ende 50 wendete sie sich von der Kriegsfotografie ab und begann, farbenfrohe, surrealistische Collagen anzufertigen. Die Hinwendung zum Schönen sei für sie eine Art „Exorzismus“, erklärt Spengler, der ihr dabei hilft, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.
Biografische Daten
1945
geboren im Elsass, Frankreich
1952
Umzug nach Madrid
1970
macht ihr erstes Foto im Tschad während der Toubou-Kriege und beschließt, als Kriegsfotografin zu arbeiten
1972
dokumentiert Konflikte in Nordirland
1973
arbeitet in Vietnam, wo sie für die Agentur Associated Press arbeitet
1974 bis 1975
arbeitet in Kambodscha und fotografiert die Bombardierung von Phnom Penh
1976 bis 1979
arbeitet in der Westsahara und fotografiert die Kämpfer der Polisario-Front für das "Time" Magazin
1981
arbeitet in Nicaragua und El Salvador
1982 bis 1984
arbeitet im Libanon
1997
arbeitet einen Monat lang in Afghanistan, um die von den Taliban unterdrückten Frauen zu fotografieren
1998
ausgezeichnet mit dem Prix Roger-Pic für ihr Projekt „Femmes dans la guerre” von der Société Civile des Auteurs Multimédia (SCAM) in Paris
2000
arbeitet im Kosovo im Auftrag des Magazins „El Mundo“
2003
arbeitet im Irak im Auftrag des Magazins "Paris-Match"
2007
wird zum Chevalier des Arts et des Lettres ernannt
lebt in Ibiza, Spanien