David Goldblatt
Johannesburg
Die Entdeckung riesiger Goldvorkommen im Jahr 1886 führte zur Gründung von Johannesburg, der mittlerweile größten Stadt Südafrikas. Fast von Anfang an waren die Strukturen der Stadt vom Unwillen der weißen Bevölkerung bestimmt, zwischen Menschen mit anderer Hautfarbe zu leben. Die Weißen hatten das Sagen sowohl in der Regierung als auch in den Minen und drängten die Schwarzen ebenso wie die Asiat*innen und Angehörige anderer Ethnien in die weniger schönen Randgebiete. Sie sollten jedoch nah genug wohnen bleiben, um für die Weißen zu arbeiten und ihr Geld in der Stadt zu lassen. Somit war die demografische Entwicklung Johannesburgs schon lange vor dem Apartheid-Regime geprägt vom Prinzip der Rassentrennung.
Für den 17-jährigen David Goldblatt war die Machtergreifung durch die National Party 1948, dennoch ein Schock, denn einige ihrer Funktionär*innen hatten die Nationalsozialist*innen unterstützt. Als Sohn jüdischer Einwander*innen litauischer Herkunft war er bereits während seiner Kindheit in Randfontein, einer Goldminenstadt unweit von Johannesburg, mit Rassismus und Antisemitismus konfrontiert worden. Eine Zukunft unter einem offensichtlich rassistischem Regime – das waren düstere Aussichten für einen jungen Mann mit liberaler Erziehung. Goldblatt spielte ernsthaft mit dem Gedanken auszuwandern. Aber er blieb in Südafrika – bis heute. Und wurde zum wichtigsten Chronisten des Landes.
Zwölf Jahre lang arbeitete er im Herrenausstatter-Betrieb seines Vaters und leitete ihn schließlich. Doch nach dessen Tod im Jahr 1962 erfüllte er sich den langgehegten Traum, sich ausschließlich der Fotografie zu widmen. In den folgenden Jahren wurde ihm zunehmend klar, wie viel sein Heimatland ihm bedeutete, obwohl der die politische Situation verabscheute. Sein Werk umfasst eine Reihe kritischer Serien über die südafrikanische Gesellschaft. Hierzu zählt auch ein Bildband über die Buren – die Bevölkerungsgruppe, deren gesellschaftlichen Einfluss er am meisten ablehnte und fürchtete und die ihn dennoch durch ihre physische Präsenz und Verwurzelung mit der Region faszinierte. Ihm wurde klar, dass er Teil dieser komplexen Strukturen war, deren Werte er mit seiner Kamera erforscht hat. Nicht als Aktivist oder Radikaler – seine Aufnahmen halten keine Demonstrationen oder spektakulären Ereignisse fest. Vielmehr hat er in gewöhnlichen Szenen des Alltags ruhige, aber deshalb keineswegs beruhigende Bilder gefunden, die die Betrachter*innen zu Zeug*innen des Zustands der südafrikanischen Gesellschaft machen. Dass seine Bildsprache zurückhaltend und subtil ist, mindert ihre politische Aussagekraft nicht.
„Johannesburg hat sich verändert“, sagt David Goldblatt heute. „Jeder kann heute wohnen und arbeiten, wo er will. Dennoch werden uns die Strukturen der Vergangenheit noch viele Jahre lang verfolgen. Die Stadt bleibt eine Sammlung von Bruchstücken, das ist tragischer Weise ihr Wesen.“ Er weiß, wovon er spricht, denn seit rund 60 Jahren hat er dort fotografiert.
Biografische Daten
1930
geboren in Randfontein, Südafrika
Ab 1963
arbeitet als professioneller Fotograf auf Vollzeitbasis für internationale Zeitschriften wie LIFE Magazine oder Picture Post
1980er
beginnt an einem 15 Jahre währenden Projekt zu arbeiten, das in die Veröffentlichung des Bandes „Südafrika. Die damalige Struktur der Dinge“ (1998) mündet
1989
gründet den „Photo Market Workshop“ in Johannesburg, der als Schule und Forschungszentrum insbesondere Angehörige benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen eine Ausbildung bietet
2001
erhält die Ehrendoktorwürde im Bereich der Bildenden Künste an der Universität Kapstadt, Südafrika
2006
erhält den Hasselblad Foundation International Award in Photography
2009
erhält den internationalen Henri-Cartier-Bresson-Preis
2018
stirbt in Johannesburg, Südafrika