Gabriele und Helmut Nothhelfer
Der Dürftigkeit des Alltags entfliehen
In den frühen 1970er begannen Gabriele und Helmut Nothhelfer, sich fotografisch mit Menschen im öffentlichen Raum zu beschäftigen. Nachdem sie ihr Studium der Fotografie an der Berliner Lette-Schule abgeschlossen und zwei Semester an der Folkwangschule in Essen studiert hatten, zog es sie zurück nach West-Berlin. Dort besuchten sie – meist an Wochenenden – Großveranstaltungen wie Volksfeste oder Versammlungen und fotografierten Menschen in ihrer Freizeit bei dem Versuch, durch Zerstreuung und Unterhaltung der Dürftigkeit des Alltags zu entfliehen. Getrennt voneinander streiften sie durch die Menschenmengen, bis ihnen jemand ins Auge sprang und sie den Auslöser betätigten. Manches Mal stellten sie im Nachhinein fest, dass sie beide unabhängig voneinander dieselbe Person fotografiert hatten.
Das Künstler*innenehepaar fotografiert bis heute ausschließlich analog in Schwarz-Weiß. Erstaunlicherweise wirken alle ihre Porträts wie aus einem Guss, obwohl sie zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten entstanden sind. Bei der Wahl der Motive folgen sie einem strengen Auswahlprozess, bei dem sie in Kauf nehmen, an einigen Tagen mit gänzlich leeren Händen nach Hause zurückzukehren. Auch nach einem anstrengenden Arbeitstag in ihrer langjährigen Tätigkeit als wissenschaftlich-technische Fotografen diskutieren sie häufig noch darüber, ob ein Bild in die Werkgruppe aufgenommen werden sollte. Voller Feingefühl für den jeweiligen Moment haben sie so ein Konvolut intimer Porträts geschaffen, die einen Hauch Melancholie in sich tragen. Immer ist es die Präsenz eines einzelnen Menschen, die sie anzieht: sei es die junge Frau, die gerade einen Plüschpanther auf einem Jahrmarkt gewonnen hat und trotzdem eher enttäuscht in die Kamera blickt, oder das junge Mädchen auf einem Kirchenfest, das vollständig in sich versunken ist und deshalb scheinbar kaum wahrnimmt, dass sie fotografiert wird.
Die eindrucksvollen Aufnahmen der Nothhelfers gehen über das bloße Abbilden der Situation oder der Person hinaus und wecken unzählige Assoziationen dazu, wer wohl der*die Porträtierte sein mag und was ihn bewegt. Obwohl stets mitten in der Menge unterwegs, wirken viele der fotografierten Menschen ein wenig isoliert oder gar einsam. Es scheint, als hätten sie sich mehr von ihrem Leben erhofft, als bliebe die Realität hinter ihren Vorstellungen zurück.
Die Arbeiten von Gabriele und Helmut Nothhelfer sind letztlich als Langzeitstudie zu verstehen. Dabei entscheiden die beiden Künstler*innen spontan, welche Menschen, Blicke und Situationen sie anziehen oder bewegen, sodass sie sie anschließend mit einer Sucherkamera aus nur geringem Abstand festhalten. Heute sind ihre Werke auch ein Stück Berliner Zeitgeschichte. Wer von beiden nun den Auslöser für welches Foto betätigt hat, bleibt jedoch ein wohlgehütetes Geheimnis.
Biografische Daten
Gabriele Nothhelfer
1945
geboren in Berlin
1967-69
studiert Fotografie an der Lette Schule, Berlin
1969–1970
studiert an der Folkwangschule für Gestaltung, Essen bei Otto Steinert
lebt in Berlin and Bonn
Helmut Nothhelfer
1945
geboren in Bonn
1967-69
studiert Fotografie an der Lette Schule, Berlin
1969-70
studiert an der Folkwangschule für Gestaltung, Essen bei Otto Steinert
lebt in Berlin and Bonn
gemeinsam
2012
erhalten die David-Octavius-Hill-Medaille der Deutschen Fotografischen Akademie, Mannheim