Juergen Teller
Hinter dem Spiegel
Nichts ist verführerischer als die Schönheit. Das wissen wir schon seit dem antiken Helena-Mythos. Drei Göttinnen versuchten, das Urteil des Paris mittels kleiner Dreingaben zu ihren Gunsten zu wenden: Vor die Wahl gestellt, Macht, Weisheit oder schlicht die schönste Frau zu bekommen, entschied sich Paris für – die schöne Helena.
Die Ikonen unserer Tage hören auf den Namen Kate, Claudia, Christy, Linda, Cindy, Naomi oder Eva. Wie ihre antike Vorgängerin personifizieren die Supermodels ein Schönheitsideal und werden dafür kultisch verehrt. Juergen Teller hat sie fotografiert. In Werbekampagnen für alles, was im Traumzirkus der Modebranche Rang und Namen hat. Veröffentlicht wurden seine Arbeiten in Szenemagazinen wie Vogue, Elle und Face.
Als Werbefotograf ist Juergen Teller selbst ein Star, in seinen Frauenporträts jedoch möchte er hinter den Spiegel der Branche blicken. Dem Perfektionismus einer internationalen Glamourwelt setzt er die Ästhetik des Nicht-Perfekten entgegen, der operettenhaften Inszenierung von Weiblichkeit ein branchenunübliches Natürlichkeitsideal. Nicht nur in den Gesichtern namenloser junger Mädchen, die von ihren Agenturen zu Tellers Studio in Notting Hill zum Casting geschickt wurden („Go-Sees“), auch bei dem Supermodel Kate Moss zeigen sich abseits der offiziellen Eleganz unvermutete Züge von Verletzlichkeit, Fragilität, Schüchternheit, Melancholie.
Dennoch haben Juergen Tellers Porträts nichts von Entblößung, Demaskierung oder Zudringlichkeit. Jenseits des stilisierten Idols gewähren sie einen direkten Blick auf die authentische Person.
Biografische Daten
1964
geboren in Erlangen
1984–86
studiert Fotografie an der Bayerischen Staatslehranstalt für Fotografie, München
1986
Umzug nach London, Großbritannien
späte 1980er Jahre
beginnt für Zeitgeist- und Modemagazine wie „i-D”, „The Face” und „Arena“ zu fotografieren
2003
erhält den Private Bank Photography Prize (heute Deutsche Börse Photography Foundation Prize)
Seit 2014
Professor für Fotografie an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg
lebt in London, Großbritannien