Larry Clark
Tulsa
Tulsa, im Norden von Oklahoma, ist heute die zweitgrößte Stadt des US-Bundesstaates. Befasst man sich mit ihrer Geschichte, so stößt man auf zwei erwähnenswerte Ereignisse: die Entdeckung großer Ölvorkommen Ende des 19. Jahrhunderts, die der Stadt großen Wohlstand bescherte, und die als „Tulsa race massacre“ bezeichneten rassistischen Übergriffe im Jahr 1921, denen mehr als 300 Menschen zum Opfer fielen, zumeist Schwarze. Auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden ist Tulsa jedoch vor allem als Schauplatz einer gleichnamigen Fotoserie des Amerikaners Larry Clark (*1943), die er Anfang der 1970er Jahre veröffentlichte.
In seinem Buch „Tulsa“ dokumentiert Clark mit bedrückender Unmittelbarkeit das exzessive Leben, das er und seine Freund*innen in den 1960er Jahren in seiner Heimatstadt führten. Die meiste Zeit verbrachten die Jugendlichen gemeinsam in einem verlassenen Haus, in dem sie unbeaufsichtigt tranken, rauchten, Sex hatten, mit Waffen experimentierten und vor allem harte Drogen konsumierten. All dies hält Clark in seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen fest, aus nächster Nähe, schonungslos und aus dem Blickwinkel von jemandem, der mittendrin ist. Clark war ein Beteiligter, kein Zuschauer. Seit seinem 16. Lebensjahr war er drogenabhängig und spritzte sich Amphetamine, die zu diesem Zeitpunkt für jedermann und für wenig Geld zugänglich waren. Er verließ Tulsa mit 18 Jahren, besuchte für kurze Zeit eine Kunsthochschule und diente anschließend zwei Jahre in der Armee, auch in Vietnam. Es zog ihn jedoch in dieser Zeit und auch danach immer wieder zurück nach Tulsa und zu den Drogen.
Clarks Bilder entstanden zunächst als persönliche Dokumentation, erst später entschied er sich, sie zu veröffentlichen. Ihr Changieren zwischen einer fast offensiven Nähe und einer gleichzeitigen Distanz zwischen ihm und seinen Protagonist*innen, von denen nie einer in die Kamera blickt, irritiert. So wie Clark sie fotografiert hat, erscheint das selbstzerstörerische Handeln der Jugendlichen schockierend beiläufig und alltäglich. Dass sein Blick keine moralische Wertung des Geschehens, kein Pathos, nicht einmal Mitgefühl offenbart, verstärkt die verstörende Wirkung seiner Fotografien.
Es überrascht daher nicht, dass die 1971 im Bildband „Tulsa“ publizierten Aufnahmen bei ihrem Erscheinen einen Skandal auslösten. Sie waren ein Tabubruch, führten sie doch der konservativen amerikanischen Gesellschaft Tatsachen vor Augen, die in ihrem damaligen Selbstbild keinen Platz hatten: die harte Realität einer jungen Generation, die nichts mit sich anzufangen weiß und sich in Sex, Drogen und Gewalt flüchtet. Bis heute gilt Clarks Serie als Ikone der Fotografiegeschichte und wegweisende Arbeit auf dem Gebiet der autobiografischen Reportage, auch wenn sie in ihrer Rezeption nicht unumstritten ist. Für ihre Unschärfe in der Abgrenzung von Ehrlichkeit und Voyeurismus wird sie auch scharf kritisiert. Clarks Bilder in „Tulsa“ haben dennoch bis heute nichts von ihrer beunruhigenden Intensität eingebüßt.
Biografische Daten
1943
geboren in Tulsa, Oklahoma, USA
1950er Jahre
beginnt als Assistent im Fotogeschäft seiner Mutter zu fotografieren
1961 bis 1963
studiert Fotografie an der Layton School of Art in Milwaukee, USA
von 1964 bis 1966
leistet seinen Militärdienst ab und nimmt dabei auch am Vietnamkrieg teil
1971
erster Fotoband „Tulsa“ erscheint
lebt in New York City, USA