Lucas Foglia

Unerzählte Geschichten vom Wilden Westen

Für seine Serie „Frontcountry“ bereiste der amerikanische Künstler Lucas Foglia jahrelang entlegene Regionen im Hinterland des amerikanischen Westens. Selbst in einer ländlichen Gegend im Bundesstaat New York aufgewachsen, war Foglia überwältigt von dem Gefühl der scheinbar unendlichen Weite und Größe der Natur, die er an den äußeren Rändern der Zivilisation vorfand. Nur wenige versprengte Gemeinden liegen dort, wo er fotografiert hat; die abseits gelegenen Landstriche in Idaho, Montana, Nevada, New Mexico, Texas und Wyoming zählen zu den Regionen mit der geringsten Bevölkerungsdichte der Vereinigten Staaten. Hier leben Familien, die seit Generationen Viehzucht und Ackerbau betreiben und deren Lebensgrundlage somit in der Natur liegt, die sie umgibt. An dieser Abhängigkeit ändert auch die zunehmende Ausbreitung der Bergbauindustrie nichts, wenn sie auch kurzfristig mehr Wohlstand und geregeltere Arbeitszeiten verspricht. In „Frontcountry“ zeigt Lucas Foglia Bilder aus einer Welt, in der bisher die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und der nun weitreichende Umbrüche bevorstehen. Vor allem aber erzählen sie von den dort lebenden Menschen und deren Bemühen, von und mit den Kräften ihres rauen Umfelds zu leben, in dem sie sich täglich behaupten müssen.

Auf den ersten Blick erfüllen Foglias Fotografien unsere Erwartung an Bilder aus dem Wilden Westen – zumindest in dem, was sie zeigen, nicht aber in dem, wie sie es zeigen. Seine harmonischen Kompositionen und eindrucksvollen Inszenierungen der Landschaft täuschen nicht darüber hinweg, dass seine Hommage an das Leben am Rande der Zivilisation zugleich die bittere Wahrheit dieser Existenz  offenbart. Surreal anmutende Szenerien erscheinen als Fragmente von Geschichten, die Foglia nicht erzählt, aber in der Imagination der Betrachter*innen heraufbeschwört. Geschichten, die von Freiheit, Kraft und Mut erzählen, aber auch von Einsamkeit, Verlorenheit und Härte. Sie sind allgegenwärtig – in dem Motiv des bewaffneten Cowboys, dessen eindrucksvoller Balanceakt auf einem Pfahl bereits den kommenden Sturz andeutet, ebenso wie dem der Kuh, die im Angesicht ihres Todes seelenruhig direkt in die Kamera schaut, oder dem eines grünen Hauses, aus dem Hunderte Müllsäcke voll leerer Bierdosen quellen. Foglia erzeugt in „Frontcountry“ eine skurrile Bilderwelt, in der es ihm gelingt, Wahrhaftigkeit und Fiktion zu verschmelzen.

Biografische Daten

1983

geboren in Huntington, New York, USA

2010

schließt sein Studium der Fotografie an der Yale University School of Art, New Haven, Connecticut ab

2012

stellt im Rahmen des Fotofestivals “Les rencontres de la Photographie d‘Arles“ aus

2014

erhält ein Förderstipendium der Aaron Siskind Foundation, New York

lebt in San Francisco, Kalifornien, USA