Philip Jones Griffiths
Das Gute schätzen
Dieses Schwarz-Weiß-Foto aus dem Vietnamkrieg hat sich in das kollektive Gedächtnis gebrannt: Nach einem Napalm-Angriff fliehen schreiende Kinder vor dem Bombenherd, darunter ein Mädchen, das sich die brennenden Kleider vom Leib gerissen hat. Das Foto von Nick Út hat einen wesentlichen Denkanstoß über Sinn und Sinnlosigkeit von Kriegen gegeben. Dieser Sinnfrage ging auch der walisische Magnum-Fotograf Philip Jones Griffiths nach.
Mehr als 120 Länder hat Philip Jones Griffiths in seinem Leben bereist. Als Fotojournalist war er regelmäßig in Krisengebieten wie Nord- und Zentralafrika, Israel, Kambodscha und dem Irak. Sein Hauptwerk, der Bildband „Vietnam Inc.“, dokumentiert den Vietnamkrieg: Mit 250 Fotografien und eigenen Texten hat Philip Jones Griffiths ein Substrat dieser Zeit veröffentlicht. Fünf Jahre lang, von 1966 bis 1971, schlug er sich dafür durch den Dschungel, um „die Wahrheit des Krieges bloßzulegen“. Dazu gehören Aufnahmen vom Kriegsgeschehen und seinen Folgen: Soldaten auf beiden Seiten, Gefechtssituationen, Gewalt und Zerstörung, die Opfer des Krieges, Leid und Trauer. Doch „Vietnam Inc.“ dokumentiert nicht nur den Krieg; es zeigt auch den Alltag in Zeiten des Krieges, die Normalität im Abnormalen. Manche Bilder zeigen überraschend harmonische Szenen zwischen amerikanischen Soldaten und Einheimischen, gerade Kindern.
Es sei ihm nicht leichtgefallen, seine Emotionen zu bändigen; er habe versucht, die Energie seiner Gefühle in seine Fotos zu übertragen: „Ich war wütend, doch meine Wut sollte in den Auslöser der Kamera gehen. Ich wollte aber nie Fotos machen, bei denen die Leute die Augen verschließen müssen. Die Pornographie der Gewalt ist nicht meine Sache“, sagte Philip Jones Griffiths im Rückblick. Seine Aufnahmen sollten für sich sprechen; er als Fotograf wollte hinter seinen Bilder zurücktreten: „Das Einzige, was uns Fotografen wichtiger ist als Leben, Sex und alles andere, ist, unsichtbar zu bleiben.“ Dennoch ist seine Bildsprache unverkennbar: Mit dem Gespür für den fotografischen Augenblick ist es ihm gelungen, auch in existenziellen Situationen großartige Bilder von ausgewogener Komposition zu schaffen.
Beinahe hätte Philip Jones Griffiths sein Leben in Vietnam gelassen. „Zum Glück bestehen die vietnamesischen Hütten aus leichtem Material“, kommentiert er mit einem Lächeln eine Situation, die ihn fast das Leben gekostet hätte: Die Unterkunft, aus der er fotografiert hatte, war gesprengt worden. Über Vietnam sprach er, der „nicht zu einem Antikriegs-Promi“ werden wollte, wohl überlegt, aber ohne Empörung, ohne Wut. Für ihn war der Krieg eine Erfahrung fürs Leben: „Kennt man das Schlechte, zu dem Leute fähig sind, dann schätzt man das Gute umso mehr.“
Biografische Daten
1936
geboren in Rhuddlan, Wales
ab 1961
arbeitet als freischaffender Fotograf für den „Observer“ in London
1962-1971
reist nach Algerien, Zentralafrika und Vietnam zur Kriegsdokumentation
1971
wird Mitglied der Agentur Magnum Photos Paris
1973–1977
arbeitet in Kambodscha und Thailand
1980–1985
wird zum Präsidenten der Agentur Magnum Photos Paris ernannt
2008
stirbt in London, Großbritannien