Pieter Hugo
Nollywood
Was Hollywood ist und wofür es steht, muss man niemandem erklären: riesige Filmstudios und aufwändige Produktionen im Großleinwandformat, die das Programm vieler Filmtheater weltweit dominieren. Das kaum weniger bekannte indische Pendant heißt Bollywood. Doch wer kennt schon Nollywood?
Nollywood ist die drittgrößte Filmindustrie der Welt, seinem Heimatland Nigeria verdankt es das „N“ im Namen. Dort entstehen jährlich bis zu 1.500 Filme, die einen Umsatz von rund 320 Millionen US-Dollar erzielen. Nollywood-Filme sind nicht nur in Nigeria weit verbreitet: In ganz Afrika haben sie einen festen Platz in der Alltagskultur gefunden und amerikanische Produktionen verdrängt. Doch ins Kino kommen diese Filme nicht. Weit ab von Glamour und technischer Perfektion werden sie mit minimalen Budgets und geringem Aufwand als DVDs produziert und auf der Straße zu kleinem Preis verkauft – dünne, in Eile geschriebene Skripts, Darsteller, die oft erst am Aufnahmetag gecastet werden, Drehs an improvisierten Sets. Nach maximal zwei Wochen ist er geschnitten, verpackt und im Handel, der typische Nollywood-Film.
Der südafrikanische Fotograf Pieter Hugo begegnete dieser Filmkultur auf seinen zahlreichen Reisen durch Westafrika. Zunächst fühlte er sich gestört von den schrillen und lauten Filmen, die überall zu sehen und zu hören waren. Doch zunehmend faszinierte ihn diese einzigartige Kunstform, die von allen Schichten der Bevölkerung konsumiert wird. Diese Filme sind von Afrikanern und für Afrikaner gemacht. Viele der kleinen und großen Dramen ihres Alltags – Liebe, Betrug, Kriminalität – finden sich dort wieder. Anders als bei Hollywood-Filmen gibt es fast nie ein Happy End. Hugos besonderes Interesse weckte das Genre des „Juju“, bei uns bekannt als Horror- oder Splatterfilm, angereichert mit einem Hauch von Voodoo.
Sein Vorhaben, direkt an den Filmsets zu fotografieren, ließ sich organisatorisch nicht umsetzen. Gemeinsam mit einem lokalen Maskenbildner stellte er also typische Szenen und Settings mit Laiendarstellern nach. Seine Bilder zeigen Werwölfe, Zombies, Teufel und Mörder in den aberwitzigsten Masken und Kostümen, die ihren Betrachter mit festem und ernstem Blick fixieren. Pieter Hugo zeigt in der Serie „Nollywood“ seine Interpretation einer inszenierten Wirklichkeit, bei der die Grenzen zwischen Dokumentation und Fiktion verschwimmen. Sein distanziert-ästhetischer Blick hinterfragt nicht die eigentümliche Filmkultur Afrikas, sondern vor allem den westlichen Blick hierauf.
Biografische Daten
1976
Geboren in Johannesburg, Südafrika
1999
Beginn der Tätigkeit als Dokumentarfotograf, Aufträge ausländischer Zeitungen und Zeitschriften
Seit 2003
Tätigkeit als selbständiger künstlerischer Fotograf, Arbeit an unabhängigen Fotografieprojekten
2006
Erhalt des Ersten Preises im Bereich Porträt, World Press Photo 2006, Getty Images Preis für junge Fotografen
2007
Erhalt des Standard Bank Preises für junge Künstler im Bereich der Bildenden Kunst 2007
2008
Erhalt des Discovery Award, Rencontres d'Arles Festival, KLM Paul Huf Preis
lebt in Kapstadt, Südafrika