Simon Roberts
Topographie der Gegenwart
1991 besiegelte Boris Jelzin mit Vertretern anderer Sowjetrepubliken die Auflösung der Sowjetunion. Viele Fotograf*innen haben den Zerfall des Großstaates und seine Folgen thematisiert, darunter der Ukrainer Boris Mikhailov mit drastischen Aufnahmen, die die Schattenseiten des Wandels und die Leidtragenden in der Bevölkerung zeigen.
Als die Sowjetunion auseinanderbrach, war Simon Roberts gerade 16 Jahre alt; 13 Jahre später sollte sich der britische Fotograf in einem Mammutprojekt mit der russischen Gegenwart beschäftigen. „Mir ging es nicht um die turbulente Vergangenheit, sondern um Perspektiven für die Zukunft.“ Der zeitliche und kulturelle Abstand zu den politischen Ereignissen in Russland hat Simon Roberts einen unbekümmerten Blick auf Land und Leute ermöglicht: „Mein Ziel war eine Bestandsaufnahme des modernen Russlands.“ Und dafür brauchte er Zeit: Ein gutes Jahr – von Juli 2004 bis August 2005 – verbrachte er mit seiner Frau vor Ort, alle drei Monate sein Pressevisum verlängernd, stets auf der Suche nach unbekannten Gegenden fernab der Ballungszentren, „denn Russland ist weit mehr als Moskau und Sankt Petersburg“. Und dort richtet er seine Kamera auf die Menschen.
Russland – „dieses große und geheimnisvolle Land“ – hat Simon Roberts schon immer fasziniert. Um es zu erforschen, ging er, der Geografie studierte, topografisch vor: Vom Osten des Landes reiste er durch Sibirien zum nördlichen Kaukasus und zog dann die Wolga entlang. Im Bildband zum Projekt zeigt eine Landkarte die Orte, an denen seine Aufnahmen entstanden sind. Simon Roberts war zu Gast bei Einheimischen, tauchte in deren Alltag ein: „Ich war ein permanenter Zaungast des Geschehens.“ Dies, sein geschultes Auge und sein Gespür für den richtigen fotografischen Moment ließen einfühlsame und harmonische Fotografien eines authentischen Russlands entstehen – Fotografien, in denen Simon Roberts virtuos mit Komposition und Farbe umgeht.
„Motherland“ nennt Simon Roberts das 153 Bilder umfassende Russland-Projekt – und zeigt mit dem Titel, wie heimisch er sich in der Fremde gefühlt hat. „Motherland“ ist eine Fotoserie über die Einwohner*innen Russlands, über die enorme Fläche, die sie bewohnen – und eine Hommage an das Land. „Ich bin insgesamt 75.000 Kilometer gereist und habe nicht alles gesehen – aber ich habe Russland mit einem guten Gefühl verlassen.“
Biografische Daten
1974
geboren in London
1993–1996
Studium an der University of Sheffield, Bachelor of Arts in Geographie
1997
Studium am Sheffield College, NCTJ Auszeichnung in Fotografie
2003
Student der Joop Swart Masterclass, World Press Foundation, Amsterdam
lebt in Brighton, Großbritannien