Sze Tsung Leong

Sze Tsung Leong, Beicheng Xin Cun, Pingyao, Shanxi Provinence, 2004, 102 x 122 cm, c-print
Sze Tsung Leong, Suzhou Creek, Putuo District, Shanghai, 2004, 183 x 221 cm, c-print
Sze Tsung Leong, Unfinished elevated highway, Ciqikou, Shapingba District, Chongqing, 2002, 183 x 221 cm, c-print
Sze Tsung Leong, Zhongyuan Liangwan Cheng II, Putuo District, Shanghai, 2005, 183 x 221 cm, c-print
Sze Tsung Leong, Jiangshen Cun, Provinz Shanxi, aus der Serie "History Images", 2004, 101.6 x 121.92 cm, c-print

History Images

Städte sind beständige und umfassende Dokumente der Geschichte; in ihrer Architektur verdichten sich die Spuren der Zivilisation. Ihre Struktur wandelt sich normalerweise nur allmählich über Generationen, Jahrhunderte, manchmal sogar Jahrtausende, sofern dieser Prozess nicht von Krieg und Revolution beschleunigt wird. Fast noch gravierender kann heute der Einfluss des Wirtschaftswachstums sein. Besonders deutlich erlebt dies China, wo der radikale Abriss ganzer Stadtteile und der eilige Aufbau neuer Quartiere den urbanen Raum rasant verändern.

Als Sze Tsung Leong 2002 Peking besuchte, stellte er bestürzt fest, dass ganze Stadtviertel, die er bei seiner ersten Reise in die Stadt wenige Jahre zuvor gesehen hatte, kaum wiederzuerkennen waren. Wenig erinnerte noch an die Vergangenheit dieser Orte, fast alles war neu: die Straßen ebenso wie die Häuser und ihre Bewohner*innen. Ein Lehrauftrag an der Pekinger Universität bot ihm Gelegenheit, länger dort zu bleiben, um diesen Wandel hin zu neu gebauten Lebenswelten in verschiedenen Regionen Chinas näher zu untersuchen und zu dokumentieren. Seine großformatigen Fotografien zeigen eindrucksvoll, wie ganze Bataillone riesiger Apartmentblocks die wenigen verbliebenen historischen Gebäude verdrängen. Das stimmungsvolle Licht in seinen Arbeiten und der weite Blick bis zum Horizont schaffen eine fast mystische Atmosphäre. Doch sie täuschen nicht darüber hinweg, dass Chinas Architekturgeschichte ebenso sehr von Zerstörung wie von Aufbau handelt.

Die Apartmenthäuser bieten zweifellos neuen Wohnraum für die ständig wachsende Bevölkerung. Da sie im Gegensatz zu den alten Häuschen mit mehr Platz und Komfort – etwa modernen sanitären Anlagen – aufwarten, sind sie bei jungen Leuten sehr gefragt. Ärmere Menschen und damit vor allem die Älteren werden jedoch aus der Stadt in die Außenbezirke gedrängt, weil sie die nun deutlich höhere Miete nicht bezahlen können. Der demografische Wandel wird so beschleunigt. Der Wille, in kürzester Zeit vermeintlich bessere Lebensqualität und Raum für die Einwohner*innen zu schaffen, geht auf Kosten von etwas sehr Wertvollem: dem Gedächtnis der Stadt und ihrer Geschichte. Die schnelle und billige Bauweise legt oftmals schon in der Planungsphase eine überschaubare Haltbarkeit fest: Das schon bei der Planung festgelegte Ziel der Gewinnmaximierung bedingt, dass diese Gebäude nicht für die Ewigkeit konstruiert werden, wahrscheinlich nicht einmal für die nächste Generation. Weil im großen Stil ausradiert und wieder aufgebaut wird, sind die städtebaulichen Strukturen in vielen Arealen gleichförmig und mit wenig ästhetischem Anspruch angelegt. „Die Tendenz, so zu bauen, ist in China gewiss besonders ausgeprägt“, sagt Sze Tsung Leong, „doch wenn ich aus meinem Fenster in New York schaue und sehe, was dort entsteht, dann denke ich, dass dies ein Trend ist, dem wir wahrscheinlich zunehmend auf der ganzen Welt begegnen werden.“

Biografische Daten

1970

Geboren in Mexiko City, Mexiko

1993

B.A. in Architektur an der University of California, Berkeley, USA

1998

Masterabschluss in Architektur an der Harvard Graduate School of Design, Cambridge, USA

2005

Guggenheim-Stipendium

lebt in New York City, USA