Thomas Kern

Thomas Kern, Granateinschlag, Sarajevo, Dezember 1992, 34 x 51cm, silver gelatine-prints
Thomas Kern, Kenan Herenda, Sammler von Granaten und Geschossen, Dobrinja, Sarajevo, Januar 1993, 34 x 51 cm, silver gelatine-prints
Thomas Kern, Wohnblöcke, Sarajevo, Januar 1993, 40, 7 x 40, 7 cm, silver gelatine-prints
Thomas Kern, Flughafen Zagreb, September 1992, 51 x 34 cm, silver gelatine-prints
Thomas Kern, Gebet in der Moschee, Sarajewo, Dezember 1992, 50 x 60 cm, Silbergelatineabzug
Thomas Kern, Militärpilgerfahrt Lourdes, Frankreich, 1989, 50 x 60 cm, Silbergelatineabzug
Thomas Kern, Zabriskie Point, Death Valley, USA, 2003, 50 x 60 cm, Silbergelatineabzug

Erzählungen vom Krieg

Als 1991 der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausbrach, war dem Schweizer Fotografen Thomas Kern sofort klar, dass er dort arbeiten wollte. Es gelang ihm, die Redaktion der renommierten Schweizer Monatszeitschrift DU als Auftraggeber zu gewinnen. Sein Ziel war nicht, möglichst schnell das Kriegsgeschehen zu dokumentieren, um damit tagesaktuelle Berichte zu begleiten. Thomas Kern wollte sich Zeit nehmen, um ein tiefer gehendes Verständnis dafür zu entwickeln, was mit diesem Land passierte. Einem Land in unmittelbarer Nähe, das plötzlich im Kriegszustand war. „Ich wollte nicht nur etwas über den Bosnien-Krieg aussagen. Ich wollte etwas darüber aussagen, was es für Menschen bedeutet, in einer solchen Situation zu leben. Wie gehen sie mental damit um?“, erklärt er.

Mehrere Monate reiste er durch die Kriegsgebiete, beobachtete die Menschen, sprach mit ihnen, lebte mit ihnen. Seine so entstandenen Arbeiten sind Dokumente von zeitloser Qualität; sie zeigen, wie der Krieg im Alltag seinen Platz findet und der Alltag seinen Platz im Krieg. Ohne technische Effekte oder ausgefallene Blickwinkel, sondern mit intuitiver Unmittelbarkeit erzählen sie davon, wie die Menschen versuchen, dem andauernden Ausnahmezustand Normalität abzutrotzen. Durch das Festhalten an Ritualen zum Beispiel. So wie die Betenden, deren Moschee zerstört wurde und die nun den Hof für ihre Gebete nutzen, auch wenn er voller Leergut und Schutt ist. Oder der Junge, der dank seiner Sammlung von Granaten und Geschossen zu einer lokalen Berühmtheit wurde. „Diese Szenen sprachen für sich und mussten nicht zusätzlich aufgeladen oder dramatisiert werden“, sagt Thomas Kern, „denn das hier war nicht weit weg passiert, sondern mitten in Europa, in einer Kultur, die uns sehr vertraut ist.“ Thomas Kerns Werke lassen nicht zu, dass wir Westeuropäer*innen denken, bei diesem Krieg habe es sich zwar um ein furchtbares Ereignis gehandelt, das aber uns nicht betrifft.

Mit der Zusammenstellung seiner Fotografien in Serien unterstreicht er, worum es ihm in seiner Arbeit geht. Wie bei einem Mosaik, in dem jedes Teil ein wichtiger Baustein ist. Dadurch wird aber auch deutlich, wie viele Aspekte dieses Krieges er nicht zeigen konnte, weil er nicht zur Stelle war oder weil sie einfach nicht visuell fassbar sind. Immer wieder hat er seine Rolle und Position als Fotojournalist hinterfragt. Und festgestellt: Das Kriegsgeschehen selbst konnte er mit seinen Bildern nicht verändern, wohl aber dessen Wahrnehmung.

Biografische Daten

1965

Geboren in Brugg, Schweiz

1984–1987

Ausbildung zum Fotograf

1987

Fotografieklasse der Zürcher Hochschule der Künste

Seit 1989

Tätigkeit als Fotojournalist für internationale Zeitschriften

1990

Mitbegründer der Fotoagentur „Lookat Photos“ in Zürich

Seit 1994

Tätigkeit als Dozent für Fotografie in der Schweiz und im Ausland

1996

World Press Award

lebt in Moeriken, Schweiz