Verdiana Albano
„surrounded“
Geheimnisvoll, melancholisch, undurchdringlich – Nebel hat schon immer eine besondere Faszination auf den Menschen ausgeübt und viele Künstler*innen in ihrem Schaffen inspiriert. Auch Verdiana Albano war während ihres Auslandssemesters an der Hochschule für Gestaltung Offenbach in der südchinesischen Megacity Chongqing von dem dort vorherrschenden Dunst überwältigt und begann, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen. Auf langen Streifzügen durch die Metropole, deren zahllose Hochhäuser die meiste Zeit in dichtem Nebel liegen, fing sie die außergewöhnliche Atmosphäre von Chongqing mit ihrer Kamera ein.
Die an der Mündung der beiden Flüsse Jangtsekiang und Jialing Jiang erbaute Stadt ist im 21. Jahrhundert in einem so atemberaubenden Tempo gewachsen, dass dort heute mehr als 30 Millionen Menschen leben; ihre Fläche entspricht der Österreichs. Für viele Europäer*innen sind diese Urbanisierungen mit den negativen Attributen anonymer und charakterloser Orte ohne historischen Kern besetzt. Albano dagegen näherte sich der Stadt unvoreingenommen. Sie suchte das Gespräch mit Einheimischen und stellte fest, dass der Nebel auch für die Bewohner*innen Chongqings ein wichtiges Thema ist. Für viele von ihnen gilt er als eine Art Markenzeichen und als eine Besonderheit, die mit der geografischen Lage erklärt werden kann. Andere sehen die dauerhafte Trübung der Luft kritischer: Für sie handelt es sich vor allem um Smog, der ungebremsten Wachstum der Stadt geschuldet ist.
Ohne zu den unterschiedlichen Stimmen selbst Stellung zu beziehen, bringt Verdiana Albano in ihrer Arbeit die vielschichtigen Facetten der Millionenstadt zum Ausdruck. Die Fotografien zeigen dicht aneinandergedrängte Wohnblöcke auf beiden Seiten der Flüsse, verbunden durch Brücken in schwindelerregender Höhe. Ihr Blick, den sie stets von einem erhöhten Standpunkt auf die Stadtlandschaft richtet, verliert sich immer wieder in der typischen Nebelwand im Hintergrund. Dabei bleibt auch ihre Farbpalette gedämpft, was den Fotografien eine unergründliche, fast mystische Stimmung verleiht. Verstärkt wird diese durch die scheinbare Menschenleere – denn obwohl viele Millionen Menschen in Chongqing leben, sieht man in Albanos Aufnahmen überraschenderweise kaum einen von ihnen. Mit ihrer Serie „surrounded“ erschafft Verdiana Albano das Bild eines schier endlosen Stadtraums, der trotz seiner Monumentalität sonderbar leblos wirkt und gleichermaßen fasziniert wie befremdet.
Biografische Daten
1993
geboren in Meerane
2019
Austauschsemester am Sichuan Institute of Fine Arts, Chongqing, China
2020
erhält den HfG-Fotoförderpreis der Deutsche Börse Photography Foundation
2021
schließt das Studium der Fotografie an der Hochschule für Gestaltung Offenbach (HfG) ab